Die Geschichte des "Black Tot Day"

Auf Jamaika wurde erstmals an britische Seeleute Rum als Teil der täglichen Ration ausgegeben. Bis dahin waren feindliche spanische Weine und Brandy aus Frankreich Teil der Verpflegung. Diese hatten sich bei langen Seereisen als Ersatz für Wasser und Bier, welche schnell verdarben, erwiesen. In der Karibik war die Beschaffung von Wein und Brandy aber schwierig und man brauchte eine Alternative. Hier rückte der Rum ins Blickfeld, der auf der 1625 von den Portugiesen erworbenen Insel Barbados von den Britten hergestellt wurde. Im Jahre 1655 wurden auf Barbados ca. 4 Millionen Liter Rum erzeugt, die fast ausschließlich auf der Insel und in benachbarten Kolonien konsumiert wurden. Im Jahre 1668 gingen nur mickrige 1.000 Liter Rum als Exportgut in das Mutterland. Die Qualitäten des karibischen Rums waren damals auch nicht so gut, dass sie eine größere Nachfrage auf den britischen Inseln erzeugt hätten.

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Aber um die Seeleute der Marine zu versorgen, reichten die Qualitäten aus. Außerdem war der Rum in Fässern auf den Schiffen haltbar. Auf den Reisen stellte sich dann heraus, dass sich die Qualität des Rum im Laufe der Zeit mit der Lagerung in den Fässern verbesserte. Außerdem erkannten die Plantagenbesitzer der britischen Kolonien den neuen Absatzkanal und machten sich für die Verwendung des karibischen Rums auf den Schiffen in der Karibik stark und sorgten dafür, dass der teure Brandy und Wein nicht mehr an die Mannschaften ausgegeben wurden. Im Jahre 1731 war Rum dann ganz offiziell Teil der Bordverpflegung. Aus dieser Zeit stammt wohl auch die Bezeichnung Over Proof, was so viel wie Probe oder Nachweis bedeutet. Die Seeleute prüften den Alkoholgehalt des ihnen zustehenden Rums mit Hilfe von Schießpulver, indem Sie das Schießpulver mit dem von den Offizieren ausgegebenen Rum tränkten. Wenn das befeuchtete Schießpulver zündetet und mit blauer Flamme brannte, war es Over Proof und hatte einen Alkoholgehalt um 57 Prozent. So konnten sich die Seeleute vor dem absichtlichen Panschen des Rums schützen, denn das so ergaunerte Geld wanderte in die Kassen der Offiziere. Noch heute wird Proof in den USA (50%) und in Großbritannischen (57%) als Maßeinheit für den Alkoholgehalt verwendet.
Ab 1779 wurde vom Versorgungsamt der Royal Navy auf allen Schiffen, in allen Operationsgebieten ausschließlich Rum an die Mannschaften der Marine ausgegeben. Seit 1731 hatten die britischen Seeleute in der Karibik Anspruch auf ein halbes Pint (1/4 Liter) Rum.
Während des „War of Jenkin‘s Ear“ gegen Spanien kommandierte Admiral Edward Vernon das britische Geschwader in der Karibik. Dieses war in Port Royal stationiert. Hier erteilte er diesem am 21. August 1740 den Befehl, den in den Heuerverträgen zugesicherten Rum nur noch verdünnt auszugeben. Vernon war der Ansicht, dass die zugeteilte Menge Rum Disziplinlosigkeit und Alkoholismus befördert. Durch die Verdünnung von 1:4 sollten die Seeleute gezwungen werden, nicht alles auf einmal zu trinken. Der Spitzname des Admirals bei seinen Mannschaften, „Old Grog“, soll Namenspatron von dem auch in Norddeutschland populären Grog als Mischung von Wasser und Rum gewesen sein.
1756 wurde die tägliche Ausgabe von mit Wasser gestrecktem Rum an die Seemannschaften in dem britischen „Naval Code“ festgelegt. 1824 wurde diese Menge Rum in der Marine auch durch die starke Abstinenzlehrbewegung auf die Hälfe reduziert. Als Ausgleich wurden die Tabak-, Tee- und Fleischrationen erhöht. Ab 1848 konnten sich die Besatzungsmitglieder alternativ auch für gesüßten Tee entscheiden.
Die Rumration, der sogenannte Tot, wurde dann auf Betreiben der Admiralität immer wieder verkleinert und durch die Zahlung des sogenannten „Grog Money“ an die Seeleute eine Möglichkeit geschaffen, ganz auf den Rum zu verzichten. Nun gab es nur noch einmal am Tag Rum für die Mannschaften und Offiziere. Diese Ration bestand aus 71 Milliliter 54-prozentigen Rums.
Nach dem ersten Weltkrieg im Jahre 1918 wurde die Rumausgabe an Offiziere abgeschafft. Da der Dienst auf den Schiffen seiner Majestät immer anspruchsvoller wurde, nahmen 1950 nur noch ca. 33 Prozent der in der Navy Dienenden die Rumration in Anspruch. Außerdem war das Autofahren unter Alkoholeinfluss verboten, in der Marine hingegen wurden moderne und komplexe Waffensysteme unter dem Einfluss von Alkohol bedient.
Es dauerte aber noch bis zum Dezember 1969, in dem die Admiralität beschloss, die Rumausgabe an ihre Mannschaften einzustellen. Das Unterhaus des Parlaments in London führte auf Betreiben des Abgeordneten James Wellbeloved am 28. Januar 1970 noch eine Debatte über die Rücknahme dieser Anordnung.
Diese mit viel Humor geführte Debatte ging als Great Rum Debatte in die Geschichte ein.
Im Rahmen der Diskussion wies der Marinestaatssekretär David Owen auf die einzusparende Summe von fast 3 Millionen Pfund hin. Das Unterhaus bestätigte daraufhin die Entscheidung der Admirale. Mit dem eingesparten Geld wurden in der Folge über den Sailor‘s Fund die Freizeitaktivitäten der Marineangehörigen subventioniert.
Über drei Jahrhunderte war der braune Navy Rum in Fässern der Begleiter der Seeleute in der Royal Navy auf allen Meeren. Die Fässer waren zu Ehren des jeweils herrschenden Monarchen mit „Die Königin – Gott segne sie“ oder „Der König – Gott segne ihn“, beschriftet. Mit seinen 57,1 Prozent bot der braune Stimmungsaufheller Stoff für Legenden und Mythen auf allen sieben Meeren.
Der Black Tot Day war dann der 31. Juli 1970, an dem die Seeleute der Royal Navy ein letztes Mal ihre Kupferbecher mit dem ihnen zustehenden Tot Rum füllen konnten. Weltweit trugen die Matrosen auf britischen Kriegsschiffen einen Trauerflor und begingen diesen Tag mit Trauerzeremonien und Salutschüssen.
Bei der Royal Canadian Navy dauerte es noch bis 1972. Hier wurde der „Black Tot Day“ am 31. März zelebriert. In der Royal Australian Navy wurde die Rumausgabe schon 1921 eingestellt, die US Navy hatte dies bereits am 1. September 1862 während des Sezessionskrieges getan. In der Royal New Zealand Navy gab es den Rum für die Seeleute noch bis zum 28. Februar 1990.
Sein Ende im Ausschank bei der Royal Navy war aber nicht das Ende des Navy Rums für Rumliebhaber. Im Jahre 1979 erhielt der Destillateur Charles Tobias das Rezept des Rums, der die Grogwannen auf britischen Schiffen füllte, von der Admiralität und begann, die Mischung aus fünf westindischen Rums als Navy Rum zu verkaufen. Tobias nannte seine neue Firma Pusser nach dem Slang-Begriff für einen Schiffsinspektor, der ursprünglich die Rationen an die Seeleute verteilte. Weitere Unternehmungen wie Lambs folgten. Heute gibt es eine Vielzahl von sogenannten Navy Rums, nicht nur mit britischer Historie. Einige dieser Produkte erzählen Geschichten von österreichischen und dänischen Marinerum-Traditionen. Für Rumliebhaber und Sammler gibt es auch heute noch einige Flaschen des Black Tot ‚Last Consignment‘ British Royal Naval Rum (auch in der Weinhandlung Schollenberger zu haben).
Dieser dunkle, sehr elegante und schwer zu findende Rum stammt aus den letzten Fässern, die für die Navy vor 1970 gefüllt wurden. Dieser alte Rum ist schokoladenbraun, holzig, anisig, stark konzentriert und einfach unglaublich. Eine Flasche kostet heute mehrere Hundert Euro. Aber zum Glück gibt es den passenden Kupferbecher kostenlos dazu.
 
Frank Schollenberger
 
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