Die glühreichen 7

Unvermeidlich schlittern und frösteln wir nun Weihnachten entgegen. Und durch die Eröffnung der ebenso unvermeidlichen Weihnachtsmärkte wird dem letzten Skeptiker bewusst, dass sich das Jahr 2017 seinem Ende entgegen neigt und der bärtige Alte mit seinen Gehilfen im Anmarsch ist. Bis es dann doch noch besinnlich wird, ist noch vieles zu erledigen und das Fest der Liebe muss vorbereitet werden. Für viele ist in diesen Tagen der Besuch auf dem größten Weihnachtsmarkt Norddeutschlands in Rostock ein liebgewonnenes Ritual.

Hier ist natürlich der Umtrunk mit den glühenden alkoholischen Heißmachern am ausgesuchten Lieblingsstand oder die Glühwein-Rallye mit Freunden über den ganzen Weihnachtsmarkt fast schon Tradition. Und wenn es knackig kalt wird, ist natürlich auch in unseren Breiten höchste Glühweinzeit. Da verwundert es nicht, dass von drei befragten Deutschen zwei den Glühwein beim Besuch auf dem Weihnachtsmarkt für unverzichtbar halten. Für das 0381-Magazin ist das nach nunmehr 10 Jahren Ansporn, den Glühweindealern auf der längsten Heißgetränke-Bar des Landes mal wieder auf den Zahn zu fühlen.
Beim Glühwein handelt es sich nach amtlicher Verordnung um ein aromatisiertes weinhaltiges Getränk mit einem Mindestalkoholgehalt von 7%. In der Regel wird Glühwein mit Zimt, Nelken, Anis und Zitrusschalen gewürzt. Ein Schuss Zitronen- und/oder Orangensaft macht die ganze Sache Rund. Dieser Schuss ist aber von amtlicher Seite nicht erwünscht, weil unser Glühwein für den Amtsschimmel dadurch zu einer Art Punsch wird. Daher muss Glühwein immer aus 100% Wein bestehen, ein Verdünnen oder Strecken mit Wasser oder anderen Flüssigkeiten ist nicht statthaft. Viele Erzeuger schwören natürlich auf ihre speziellen Rezepte mit „Geheimzutaten“. Besonders beliebt ist Glühwein auf den Weihnachts- und Adventsmärkten.
In den letzten Jahren haben sich Glühweintouren oder Rallyes über den Weihnachtsmarkt in Rostock zu einem weitverbreiteten vorweihnachtlichen Vergnügen bei allen Altersgruppen entwickelt. Neben den roten Klassikern erfreuen sich heute auch die glühenden Weißen und internationale glühende Punschspezialitäten wie Glögg und Trollentrunk einer immer größer werdenden Beliebtheit.
Seinen Ursprung hat der Glühwein wohl tatsächlich in Deutschland. Denn 1956 wurde in Augsburg der Kellermeister Rudolf Kunzmann mit einem Busgeldbescheid belegt. Nach diesem verstieß er mit seinem gewürzten, gezuckerten und in Flaschen gefüllten Glühwein gegen das deutsche Weinrecht. Später wurde das Weinrecht geändert und der Glühwein, wie wir ihn heute kennen, wurde legalisiert.
Die Vorfahren unser heutigen Glühweine sind vermutlich Gewürzweine, welche schon in der Antike mit Gewürzen aufgehübscht wurden und in der Regel aber kalt genossen wurden. In Rostock waren Gewürzweine unter dem Namen Klaret besonders bei Kaufmannsschaft und Ratsherren im Mittelalter beliebt.
Eine besondere Empfehlung sind die Winzerglühweine von deutschen Erzeugern, welche ihre eigenen Qualitäten als Grundweine nutzen. Diese Winzerglühweine heben sich durch ihre Qualität von den sehr günstigen und süßen Massen-Glühweinen aus industrieller Produktion ab. Winzerglühwein ist ein Qualitätsversprechen, denn der Winzer darf seinen Glühwein nur aus eigenem Grundwein herstellen und muss diesen auch selbst vor Ort in seinem Betrieb komponieren und abfüllen. Bei billigen Glühweinen versucht man oft, Mängel der verwendeten Grundweine durch eine extreme Süßung zu kaschieren.
Viel Spaß macht es auch, sich einen anständigen deutschen Grundwein zu besorgen und dann Glühwein nach eigenem Gusto zu kreieren. Bei der Zubereitung sollte der Glühwein auf keinen Fall über 80°C erhitzt werden, da bei 78°C der Alkohol verdampft und bei großer Hitze Zuckerabbauprodukte entstehen können, denen man nachsagt, sie wären nicht sonderlich gesund. Außerdem verändert zu große Hitze den Geschmack des Weins und der Gewürze.
Ein guter Glühwein sollte eine schone rote oder helle gelbe Farbe haben. Zeigt sich das Heissgetränk mit einem eher braunen Farbton, sollte man die Finger davon lassen. Denn diese Tropfen sind tot gekocht und machen wirklich keinen Spaß.
Die glorreichen Rostocker 7 Glühweintipps der 0381-Redaktion für 2017
Winzerglühwein
Stand des Weingutes Misskam
Das Weingut aus der Pfalz ist auf dem Weihnachtsmarkt in Rostock schon eine Institution. Hier wird kompetent und mit professioneller Ausschanktechnik Winzerglühwein angeboten. Der Rote ist eine Cuvee aus Portugieser, Dornfelder, Regent und Spätburgunder. In diesem Jahr feiert bei Misskam der Weiße aus Müller-Thurgautrauben seine Premiere. Beeindruckend auch die Spülmaschine, mit der die Gläser hygienisch einwandfrei gereinigt werden. Hier weiß man, was man macht und was man ausschenkt.
Schlehenglühwein
Historischer Weihnachtsmarkt
Solides Heißgetränk aus dem dornenreichen Steinobstgewächs in der Familie der Rosengewächse, der im ungewöhnlichen historischen Ambiente ausgeschenkt wird. Besonders spannend macht diesen Trunk die leicht adstringierende Anmutung. Die Gerbstoffe sorgen in der Wechselwirkung mit der dunklen Frucht für eine schöne Fülle. Schon im alten Mecklenburg war man sich Sicher, dass Schlehen gegen Hexen und Dämonen helfen. Darum Prost, denn Vorsorge ist besser als Nachsorge.
Trollentrunk
Auf dem Uniplatz am Finnlandstand
Eigentlich kein richtiger Glühwein. Vielmehr handelt es sich hier um einen Preiselbeerwein mit einem Schuss Rum. Aber in jedem Fall eine der Top-Empfehlungen. Der Trollentrunk hat mit seiner knackigen Säure und den merklichen Gerbstoffen richtig Biss und macht großen Spaß und schmeckt nach mehr.
Glögg
Schwedenhütte vor dem Rostocker Hof
Hier gibt es den kultigen skandinavischen Glühweinpunsch mit Gewürzen und einem Schuss Rum. Wer möchte, kann sich den süßen roten Glüher mit einem Löffel Mandeln oder Rosinen pimpen. Wirklich gut. Für den einen oder anderen aber etwas süß.
Glühwein
Heydens Weinfass
Wirklich solider und gut gemachter Glühwein – charmant und kompetent serviert aus dem Weinfaß in der Langen Straße. Über viele Jahre hinweg ist die aus Rostock stammende ehemals weinhandelnde Familie Hyden nun schon auf dem Rostocker Weihnachtsmarkt zu finden. Hier kommt ein wirklich solide Qualität aus einer Kellerei in Rheinhessen in die Glühweintasse.
Der Geheimtip
Bauernhandbrotstand in der Langen Straße
Man kann es kaum glauben, hier wird neben mächtigen gefüllten Broten ganz nebenbei und sehr freundlich auch ein anständiges Fruchtheißgetränk ausgeschenkt. Der Name Bratapfel-Sanddornglühwein ist etwas irritierend. Aber was der freundliche Kollege da aus dem Hause Sachsenobst ausschenkt, ist dann mal ein etwas anderer Heißmacher und passt durch den Sanddorn super an die Küste. Das ist der zufällig entdeckte Geheimtip der 0381-Tester.
Weißer Winzerglühwein aus Sachsen
Schloss Wackerbarth
Vor dem Kröpeliner Tor schenkt man im Namen des Sächsisches Staatsweingutes Schloss Wackerbarth weißen Winzerglühwein aus. Knackig, fruchtig und weiß mit einer dominanten Gewürznote. Oder wurde der weiße Sachsenglüher mit seiner etwas aufdringlichen Karamell- und Kochnote etwas zu heiß? Aber trotzdem in jedem Fall eine Probe wert. Und bei steigender Umschlagsgeschwindigkeit sollten die Kochnoten auch nicht mehr vorkommen.
Diese Auflistung ist keine Rangfolge. Die aufgeführten Stände und Produkte sind unsere Empfehlung nach zwei Tagen Glühweintest auf dem Rostocker Weihnachtsmarkt.
Michael Bierhenke & Frank Schollenberger