Roter Schwabe

Dass die Schwaben ein ganz besonderes Völkchen sind, ist klar. Und neben ihrer sprichwörtlichen Sparsamkeit („Ein Schwabe ist ein wegen seines Geizes des Landes verwiesener Schotte.“) pflegen diese Alemannen einige weitere Eigenarten. So wird Spott anderer gerne umgedeutet und zur positiven Eigenschaft. Auch zum Wein pflegt man ein besonderes Verhältnis und behauptet gerne von sich, Meister im selbertrinken des in der Heimatregion angebauten Weines zu sein.


Alle anderen könnten sich eigentlich über jeden Tropfen schwäbischen Weines glücklich schätzen, der die Landesgrenzen verlässt, denn die Schwaben würden ihren guten Wein am liebsten selber trinken. Außerdem fließt in den Adern der Schwaben ein ganz besonderer Saft, Trollinger. Das ist der schwäbische Nationalwein und wird in Deutschland fast ausschließlich nur in Württemberg angebaut. Der Trollinger hat es nicht so dolle mit der Farbe, ist gemeinhin als leichter schwäbischer Schoppenwein bekannt und wurde im Ländle traditionell aus Hänkelgläsern getrunken, die einen Viertelliter fassen. Außerdem ist er im württembergischen Weinland ein Identitätsstifter und die dominierende Rebsorte. Wie in vielen anderen Fällen waren es wohl auch hier die Römer, welche die Rebsorte an den germanischen Rhein brachten. Sein Hauptverbreitungsgebiet fand er im Tal des Nebenflusses Neckar. Der Name der säurebetonten Rebsorte leitet sich wohl von „Tirolinger“ ab. Denn auch in Südtirol ist die Rebsorte weit verbreitet und unter dem Namen Vernatsch sehr bekannt. Als Tafeltraube wird Trollinger in aller Welt als Black Hamburg bezeichnet und steht selbst im Norden an geschützten Hauswänden seinen Mann. Trollinger-Weine sind nicht sehr intensiv in der Farbe. Gut geratene Trollinger können aber eine rubinrote Farbe haben. In der Regel ist der Schwabe jedoch leicht und durch seine höheren Säurewerte frisch und jugendlich. Diese Attribute machen ihn zu einem unkomplizierten Schoppen- und Zechwein, der im Sommer auch leicht gekühlt ein Vergnügen sein kann. Böswillige Nichtschwaben verspotten den schwäbischen roten Nationalwein auch gerne mal als Rosé. Trollinger als Prädikatsweine sind selten zu finden, da das durchschnittliche Mostgewicht von 75 Grad Öchsle hierzu nicht ausreicht. Wie gesagt, das ist auch nicht der Anspruch des Schwaben. Er möchte als Solist einfach nur ein unkomplizierter und süffiger Begleiter und Ausdruck einer regionalen, liebenswerten Weinkultur sein. Eine weitere schwäbische Spezialität ist der Trollinger im Duett. Hier wird er gerne mit einem anderen typischen Württemberger, dem Lemberger verschnitten. Hier gibt es zwei Spielarten – einmal Trollinger mit Lemberger und Lemberger mit Trollinger, wobei der Erstgenannte im Blend immer den Löwenanteil stellt. In jedem Fall ist der Trollinger ein Ausdruck und Beleg für die vielfältige Weinkultur in Deutschland und ein guter Begleiter beim Picknick oder für eine lange, angeregte Diskussion bis weit in die Nacht.

Frank Schollenberger
Sommelier