Wiederentdeckt und bewahrt – Historische deutsche Rebsorten

Auch ausgewiesenen Weinkennern sind Rebsorten wie Günfränkisch, Grüner Adelfränkisch, Blauer Muskateller, Weißer Räuschling. Heunisch, Gelber Kleinberger, Fränkischer Burgunder, Hartblau, Süßschwarz und der Schwarzurban kein Begriff. Und doch handelt es sich hier um einige sehr traditionsreiche Rebsorten, die noch im 19. Jahrhundert in vielen deutschen Weinbergen zu Hause waren. Zwei Weltkriege, Reblausplage, Flurbereinigungen, Trends, politische und gesellschaftliche Wirren haben dazu geführt, dass eine ehemals über 400 Rebsorten umfassende Vielfalt in unseren Weinbergen mutmaßlich verloren gegangen ist. In den letzten Jahrzehnten haben sich deutsche Winzer in der Regel mit ca. 30 Hauptrebsorten im Anbau begnügt. Heute sind etwas über einhundert Rebsorten in Deutschland für den Weinbau zugelassen. Zieht man Neuzüchtungen des 19. und 20. Jahrhunderts und Importe ab, bleiben nicht mehr viele historische Rebsorten in deutschen Weinbergen übrig. Mit dem Vergessen dieser Vielalt wären uns fast einige Kulturgüter und eine große genetische Vielfalt in unseren Weinbergen verloren gegangen. Es ist ein großes Glück, dass sich einige Enthusiasten dem Thema der historischen Rebsorten angenommen haben und mit großem Fleiß viele dieser Rebsorten dem Vergessen entreißen konnten. Einer dieser unermüdlichen ist Andreas Jung, der als Ampelographen (Rebsortenforscher) Licht ins Dunkel brachte und in alten Weinbergen, verwilderten Reblagen oder an Häuserwenden über 100 ausgestorbene Sorten wiederfand, diese bestimmte und für eine Vermehrung sorgte. Diese Traditionsrebsorten hätte es eigentlich nicht mehr geben dürfen, denn oft waren ihre Namen als Synonyme für andere Rebsorten in den Sortenkatalogen geführt. Das sorgte natürlich für weitere Verwirrung bei der Bestimmung von alten Rebstöcken. Es ist daher eine große Leistung, die hier vollbracht wurde und aktuell mit dem Anlegen eines natürlichen Rebsortenarchivs fortgesetzt wird. Wir haben nun die große Chance, alte Rebsorten, die wiederentdeckt wurden, auch zu schmecken, denn einige Winzer nehmen sich der historischen Rebsorten an und pflegen diese teils noch im Versuchsanbau in ihren Weingärten. Es sind große Schätze, die es zu entdecken gilt und die bis heute oft nicht rebsortenrein zu probieren waren, denn die Weine wurden in der Vergangenheit oft im gemischten Satz ausgebaut. So kann man einige erst heute solo probieren. Es ist eine spannende Entdeckungsreise, diese Weine als flüssige Geschichte zu trinken und dadurch diese Ursorten zu bewahren und neue Perspektiven im deutschen Weinbau zu ermöglichen. So können einige dieser Ursorten eine interessante Antwort auf die Herausforderungen von Klimawandel und Extremwettererscheinungen sein. Wir von der Weinhandlung F. Schollenberger sind schon etwas stolz, unseren Kunden nun diese flüssige Geschichte anbieten zu können. Sie erhalten historische Rebsorten in unseren Geschäften in Rostock und Bad Doberan in Flaschen.
Frank Schollenberger
Sommelier